MAS Typ 126
von Manfred Woll


Es war schon keine Überraschung mehr, als die „Oldtimer Praxis“ 12/2021 einen „Rarer Renner MAS 350 SS“ vorstellte und dabei die Historie - bewusst oder unbewusst - völlig falsch darstellte. Dies ist nicht der erste Fall bei diesem Verlag, wo ein wenig bekanntes italienisches Motorrad dem Leser historisch und technisch fehlerhaft vorgestellt wird. Während bei Autothemen in Mainz offensichtlich sehr genau recherchiert wird, ist der Umgang mit raren Motorrädern aus südlichen Gefilden eher locker und es werden Texte von Gelegenheitsautoren ungeprüft übernommen. So auch in diesem Fall, wo ein eher braves, solides Motorrad zum „Renner“ hochstilisiert wird.

MAS Nürburgring 1982 SteuerseiteMAS Nürburgring 1982


Diese MAS bekam ich erstmals 1982 am Nürburgring bei einem Veteranenlauf vor die Linse und der damalige Besitzer Rolf-Winfried Edel konnte zu dieser Motorradmarke leider keine näheren Angaben machen. Das war damals auch nicht gerade einfach, gab es doch kaum Unterlagen über diese italienische Motorradfirma. Mittlerweile hat sich dies Dank neuerer italienischer Bücher zum Guten gewendet und man braucht nicht in achtzig Jahre alten Dokumenten zu stöbern, um Licht ins Dunkel der Geschichte zu bringen.

MAS Typ 126 Steuerseite. So sah unsere Maschine ab Werk aus MAS Typ 126 1931

Diese Maschine wurde von 1931 bis 1933 gebaut und es handelt sich um den Typ „126“, was natürlich nicht so rennmäßig klingt wie das neu kreierte „350SS“. Mit 85x61,5mm für Bohrung und Hub ergeben sich 348ccm, wobei vom Werk keine Leistungsangabe gemacht wurde. Aber bei einer Verdichtung von 4,8:1 und einer Nenndrehzahl von 4200U/min, dürften es wenig mehr als 10PS gewesen sein, was auch zu der angegebenen Höchstgeschwindigkeit von 100 bis 105Km/h passt. Als Getriebe diente eine Dreigangversion von Burman, natürlich mit Handschaltung. Der Vergaser kam von Amal und das Hinterrad saß zeitgemäß starr im Rahmen.
Dieser Typ „126“ wurde 1934 vom Typ „127SS“ abgelöst, mit einem neuen Motor mit 70x88mm für Bohrung und Hub, dem weiterhin handgeschalteten Dreiganggetriebe und ebenfalls ohne Hinterradfederung. Die erste Hinterradfederung bei MAS erschien 1938 in Form einer Hinterradschwinge, welche 1940 von einer Geradwegfederung abgelöst wurde.

Die Firma MAS war bei Sporteinsätzen sehr rührig, abgesehen von kurzen Auftritten in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, wo die 175er OHV-Maschine wenig erfolgreich in Straßenrennen am Start war, allerdings nur im Zuverlässigkeitssport. Das wundert wenig, denn gegen die italienische Konkurrenz mit speziellen, aufwendigen Rennmaschinen von Bianchi, Benelli, Moto Guzzi oder Miller-Rudge hätten die MAS-Konstruktionen nicht den Schimmer einer Chance gehabt, ganz zu schweigen von den in Italien sehr verbreiteten englischen Rennmaschinen. Eigene, spezielle Rennmaschinen hat MAS nie gebaut. Dafür waren sie bei den zahlreichen Zuverlässigkeitsfahrten stets vorne zu finden, bis hin zu einigen erfreulichen Resultaten bei Milano-Taranto in den dreißiger Jahren, auch als Gespann.

MAS Sixdays 1931 Bonatti Boneschi PicozziSo gab es auch gute Ergebnisse bei den Sechstagefahrten, wo ein Dreierteam auf 175er MAS 1931 bei den in Italien durchgeführten Sixdays den zweiten Platz in der Vasenwertung erreichte, hinter Holland. Bei den im „Markt“ erwähnten Sixdays in Wales 1933 war das MAS-Team weniger erfolgreich, da zwei der drei Starter zu viele Strafpunkte sammelten und lediglich Natale Boneschi auf der 350er eine Goldmedaille einfuhr. Das war aber kein „Sieg“, denn gesiegt hatten die Teams aus Deutschland bei der Trophy und aus England bei der Vase.
Mit dieser Goldmedaille und den zwei Silbermedaillen für das MAS-Team machte die Firma anschließend auch Werbung, die im Artikel leider viel zu klein wiedergegeben wird. Wäre ja auch peinlich, wenn (angeblich) zwar für Straßenrennsport eine Hinterradfederung zum Einsatz kommt, auf die dann gerade im Gelände verzichtet wird und der Leser diesen Widerspruch klar erkennen könnte.... Aber ein weiteres altes Foto liegt vor, vom MAS-Team 1931, auf dem die Maschinen gut erkennbar sind, natürlich auch ohne Hinterradfederung. Auf das angekündigte MAS-Buch bin ich gespannt.

Die im „Markt“-Bericht angeblich für „Rennbetrieb“ im Werk umgerüstete 350er mit Geradweg-Hinterradfederung ist in Anbetracht der MAS-Sporthistorie nichts als Wunschdenken des Besitzers oder Schreibers. Und zwei weitere Punkte passen nicht zu einer Vorkriegshistorie der Maschine, der Velox-Schaltautomat aus Nachkriegstagen und der Dell'Orto SSI-Vergaser aus den fünfziger Jahren.
Es ist vermutlich so, dass die Maschine in der Nachkriegszeit mit einer der vielen im Zubehör angebotenen Hinterradfederungen - es ist keine MAS-Federung - modernisiert und mit dem Viergang-Burman Getriebe und Velox-Schaltautomaten aufgerüstet wurde. Natürlich für täglichen Gebrauch und nicht für Sport. Auch der wohl sehr viel später hinzu gekommene Vergaser ist leicht erklärbar, denn in den frühen Jahren des Veteranensports war es üblich, normale italienische Motorräder rot zu lackieren, mit einem SSI-Vergaser zu versehen und schließlich mit offenem Auspuff als „Rennmaschine“ zu verkaufen. Was mangels historischer Unterlagen auch meistens gelang, siehe unsere MAS.
Dass mit heutigem, hochoktanigem Sprit die Verdichtung und damit die Leistung deutlich angehoben werden kann, ist bekannt, ebenso sollte der Einbau größerer Ventile keine Probleme machen. Am Nürburgring 1982 zog die MAS aber eher gemächlich ihre Runden. Und den „Sieg“ dieser Maschine beim VFV-Lauf auf dem Hockenheimring muss dem Leser auch erläutert werden, denn Sieger ist jeweils der, welcher am Gleichmäßigsten seine Runden dreht. Nicht selten war dies der vom Speed her Langsamste.

Das wäre alles nicht groß erwähnenswert, hätte der verantwortliche Redakteur gemäß dem alten Ehrenkodex der schreibenden Zunft gehandelt und die unkorrekte Darstellung korrigiert. Aber wiederum ist es kein Einzelfall, dass solch eine per Leserbrief und belegt durch historische Kopien korrigierte Darstellung einfach ignoriert wird. Kein Rückruf, keine Emailanfrage - nichts. So kann nur spekuliert werden, ob es dem Redakteur schlicht peinlich ist, einen Fehler einzugestehen, oder ob der Druck, jedes Heft mit Beiträgen zu füllen so groß ist, dass solch eine „Ente“ schon Schnee von gestern ist und nicht mehr des Erwähnens oder Korrigierens wert.
Gleichwie, es ist ein Armutszeugnis der Redaktion und ein Beleg dafür, wie wenig Wert auf korrekte Darstellung der Historie gelegt wird. Vermutlich war der Protest aus Leserkreisen auch so gering, dass die Zeilen für eine Korrektur für Wichtigeres genutzt werden mussten. Wie sagte doch mal ein „moderner“ Chefredakteur: „Wenn 99 Prozent der Leserschaft sich an Fehlern nicht stören, was interessiert mich dann das eine Prozent, auch wenn es Recht hat?“ Dass solche Fehler vielleicht mal in die Geschichtsschreibung eingehen, weil irgend jemand diese Darstellung ungeprüft übernimmt - wen stört das schon in der Redaktion? Oder soll man es fatalistischer ausdrücken mit der Feststellung, dass der Leser das bekommt was er verdient? Wo bleibt der Protest?


MAS 135 SE 1939
MAS 135 SE - 1939

Text: Manfred Woll


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